09/01/2019
„Alles geht, wenn man will...“

Seit Dezember 2018 bis Ende Januar 2019 läuft das Pilotprojekt InGastro, das zum Ziel hat, Migrantinnen und Migranten mit dauerhaftem Bleibestatus für eine Beschäftigung in der Gastronomie zu qualifizieren. Und das in Theorie und Praxis gleichermaßen: auf dem Lehrplan steht ein berufsbezogener Deutschunterricht der berufsbezogenen Praxis gleichwertig gegenüber. Die Initiatoren des Projekts sind das Kolping-Bildungswerk und Rauschenberger Catering & Restaurants.

Den Teilnehmern soll so der Einstieg in die Branche deutlich erleichtert werden. Idealerweise können die Praktikanten schon während des Praktikums mit ihren Fähigkeiten überzeugen und freuen sich im Anschluss nicht nur über ein Zeugnis der renommierten Rauschenberger Gastronomiegruppe, sondern erhalten auch direkt einen Arbeitsvertrag.



Von ersten Erfolgen...


Vom Potential des Pilotprojektes war das Projektteam um Jörg Rauschenberger schon vor dem Start überzeugt. „Mit einem der zwölf Teilnehmer sind wir bereits im Gespräch hinsichtlich einer Übernahme“, so Julia Kavaliauskas (Bereichsleitung Personal bei Rauschenberger Catering & Restaurants). Und sie ergänzt: „Bei der Beurteilung zum Ende des Projekts erwarten wir noch weitere positive Überraschungen.“

Die 29-jährige Syrerin Nour K. beispielsweise begeisterte bereits bei der Erstvorstellung der Praktikanten im Januar 2018, und befindet sich nach einem 6-monatigen Praktikum heute im ersten Ausbildungsjahr zur Köchin im Fine Dining Restaurant PIER 51. Geschafft hat die junge Frau dies aus eigenem Antrieb. „Alles geht, wenn man will“, so Nour. 2011 hatte sich ihr Leben völlig verändert, ihre Heimatstadt Aleppo wurde zerstört. Mit dem eben erfolgreich abgeschlossenen Studium für Businessmanagement in der Tasche wollte sie den Speiseeis produzierenden Betrieb der Familie übernehmen. Doch der Bürgerkrieg machte sämtliche Pläne zunichte. Stattdessen folgte ihre Flucht und eine monatelange Reise über Ägypten und die Türkei bis in ihren heutigen Wohnort, in der Nähe Stuttgarts. Im ersten halben Jahr sei sie hier nur eine Nummer gewesen, meint Nour K. Diese Nummer hatte sie am 4. Oktober 2015 in der Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in Karlsruhe erhalten. „Damit konnte ich zum Arzt gehen, Medikamente holen und Essen bekommen“, berichtet die junge Frau. Heute, drei Jahre später, sitzt sie neben ihrem Ausbilder Philipp Di Mineo im PIER 51 und schmiedet Zukunftspläne. Nach ihrer Ausbildung möchte sie ein Kochbuch veröffentlichen, das die schwäbische und syrische Küche vereint. „Es gibt eine gemeinsame Basis, die sich nicht nur auf das Produkt Linsen beschränkt“, so Nour.


„Berücksichtigt man nur die reine Zahl von zwölf Teilnehmern, wird man dem Projekt nicht gerecht“, so Jörg Rauschenberger. „Es sind zwölf Leben mit jeweils einer eigenen Geschichte. Nicht jeder der Teilnehmer passt zu uns und nicht jeder der Teilnehmer sieht seine Zukunft nach dem zweimonatigen Programm in der Gastronomie. Aber selbst wenn sich nur zwei oder drei der Teilnehmer für einen gastronomischen Beruf begeistern können, werten wir dies als Erfolg.“


Zu ersten Resümees...


Während der Küchenchef des PIER 51, Philipp Di Mineo, über seine Auszubildende Nour K. nur Positives zu berichten weiß, sehen die Beteiligten auf administrativer Seite auch die Probleme eines solchen Integrationsprojektes. „Neben mangelnden Deutschkenntnissen und dem Neuland der umfangreichen deutschen Küchenvorschriften, stellt auch eine modern ausgestattete Catering-Küche mit unbekannten Geräten eine Herausforderung für die Teilnehmer dar“, so Steffen Walz (Küchenchef Bereich Eventcatering). Und Stephan Reichstein, (Leiter Strategie und Standortentwicklung, Kolping-Bildungswerk) benennt Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und effizientes Arbeiten als Aspekte, die immer wieder thematisiert werden müssten. „Oder auch, dass eine Frau Chefin sein kann“, ergänzt Markus Schädle, Projektleiter Kolping-Bildungswerk. Trotz bürokratischer Stolpersteine, kultureller Hindernisse und Sprachbarrieren glauben die Partner des Pilotprojekts InGastro an das Format und sehen den beiderseitigen Nutzen: „Mit Rauschenberger haben wir den idealen Partner für dieses Projekt“, so Stephan Reichstein. Und weiter: „Nur ein Unternehmen dieser Größe kann ermöglichen, alle Projektteilnehmer gesamthaft für die Praktikumsphase zu übernehmen. Dies erleichtert nicht nur einen Austausch unter den Teilnehmern, sondern auch auf administrativer Ebene eine übergreifende Verständigung.“


Ende Januar findet auf beiden Seiten eine Analyse des Projekts mit anschließenden Evaluationsgesprächen statt. Das Ziel: eine Optimierung der Teilnehmergruppen hinsichtlich Alter, Vorwissen und weiteren Kriterien, sowie die Option eines schnelleren Übergangs in die praktische Phase des Projekts für besonders talentierte und motivierte Teilnehmer. Bei Rauschenberger wie auch Kolping ist man sich sicher, dass eine Optimierung trotz bürokratischer Hürden schnell umgesetzt werden kann, denn: „Alles geht, wenn man will“.


Kolping-Bildungswerk e.V.

Das Kolping-Bildungswerk zählt mit mehr als 1200 Mitarbeitern zu den bedeutendsten Bildungsträgern in Baden-Württemberg. An 40 Standorten werden jährlich rund 10.000 Personen geschult. Gegründet wurde die Einrichtung von dem katholischen Priester Adolph Kolping.


Ansprechpartner: Catrin Rathgeb
Tel.: 0711 / 55340-140
E-Mail: [email protected]